Globale Gleichberechtigung in der Internationalen Zusammenarbeit: Wie terre des hommes Deutschland auf diese Herausforderung reagiert
Ein Artikel von Ann-Christin Hayk
Seit den späten 1980er Jahren kritisieren Konzepte wie Post-Development und Beyond Aid die ungleichen – einst durch den Kolonialismus initiierten – Machtstrukturen zwischen Globalem Süden und Globalem Norden und, dass der Süden dabei als unterentwickelt und hilfsbedürftig dargestellt wird.
Diese Zuweisungen in der Entwicklungszusammenarbeit, oder besser internationalen Zusammenarbeit, bilden die ungleichen Machtverhältnisse zwischen z. B. Internationalen Nicht-Regierungsorganisationen (INGOs) und lokalen Organisationen im Globalen Süden ab.
Der Post-Development Diskurs leitet daraus als typisches Muster neokolonialer Einstellungen innerhalb dieser Machtgefüge das Auftreten von Mitarbeiter*innen der Entwicklungszusammenarbeit als Expert*innen ab, die sich anmaßen, anstelle lokaler Expert*innen sowohl die Probleme als auch passende Lösungsansätze für den Globalen Süden zu definieren (1 & 2).
Zeit, internationale Zusammenarbeit einzustellen?
Daraus ergeben sich Forderungen nach Lokalisierungsansätzen und einer tatsächlichen Zusammenarbeit zwischen Akteur*innen aus dem Globalen Süden und dem Globalen Norden. Lokalisierung bedeutet dabei lokale Ownership, Entscheidungsmacht und Selbstbestimmung zu fördern, die zukünftig lokal definierte Problemstellungen und daran angepasste Lösungen etablieren. Lokalisierung bedeutet im Umkehrschluss auch, dass INGOs eine Machtreduktion hinnehmen und ihre Mitarbeiter*innen nicht mehr als Expert*innen, sondern als Mittler*innen zwischen lokaler Expertise und INGOs agieren müssen. Daraus leiten Vertreter*innen der Post-Development Idee die Forderung ab, dass internationale Zusammenarbeit, die Organisationen aus dem Globalen Süden und dem Globalen Norden zusammenführt, neu und gleichberechtigt gedacht und gestaltet werden müsste (1-4).
Wie kann das in der Praxis gelingen?
Die INGO und Kinderrechtsorganisation terre des hommes Deutschland setzt dabei auf ein Partnerschaftsmodell, das durch Lokalisierungsansätze Strukturen, Expertise, Ressourcen und Netzwerke von lokalen Partnerorganisationen – vor allem durch Partizipation – stärkt. Darin eingebettet findet alle fünf Jahre die sogenannte Delegiertenkonferenz statt, zu der Vertreter*innen lokaler Partnerorganisationen, Kinder und Jugendliche, Ehren- und Hauptamtliche zusammenkommen und die strategische Ausrichtung der gemeinsamen Arbeit für die nächsten Jahre beschließen. Doch sind diese Ansätze ausreichend, um den unterschiedlichen Kontexten, in denen die Partnerorganisationen agieren, sowie auch allen beteiligten Akteur*innen gerecht zu werden? Unter anderem mit dieser Frage setzt sich die seit 2021 aktive Fokusgruppe Diversität bei terre des hommes Deutschland auseinander. Die Gruppe analysiert zunächst, inwiefern terre des hommes die Ansätze der Post-Development Debatte bereits in die Programmarbeit einbezieht und wo noch Anpassungsbedarf besteht, um effektiver Gleichberechtigung und Diversität in der Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen im Globalen Süden zu integrieren und ungleichen Machtstrukturen entgegenzuwirken.
Auch gute Ansätze lassen sich noch verbessern
Zunächst in einer Explorationsphase befindlich startet die Fokusgruppe derzeit erste Aktivitäten.
Dazu zählt unter anderem eine umfassende Befragung lokaler Partnerorganisationen von terre des hommes Deutschland, in der es darum geht, offen zu legen, wie die Partner*innen die Kooperation mit terre des hommes empfinden und inwiefern die Zusammenarbeit durch die eingangs erläuterten Machtasymmetrien geprägt ist.
Die Ergebnisse dieser Befragung können dabei helfen, die unterschiedlichen Kontexte und Problemfelder, in die sich die Arbeit der lokalen Partnerorganisationen in Südostasien, Südasien, in der MENA Region, in Lateinamerika und in Deutschland und Europa einbetten, besser zu verstehen. Auf dieser Basis kann das terre des hommes Partnerschaftsmodell noch besser an lokale Bedarfe angepasst und von lokalen Akteur*innen gemeinschaftlich mit terre des hommes Deutschland gestaltet werden. Weitere Schritte in diese Richtung werden sicherlich folgen.
(1) Vgl. Kornprobst et al. (2020): Postkolonialismus & Post-Development. Praktische Perspektiven für die Entwicklungszusammenarbeit.
(2) Vgl. Roll & Kornprobst (2021): Wie Covid-19 die Vorteile einer Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit aufzeigt.
(3) Vgl. Ziai (2017): Post-Development: Entwicklungspolitik abwickeln oder anpassen?
(4) Vgl. Escobar & Harcourt (2018): Post-Development Possibilities: A conversation.