Empowerment durch WOL-Zirkel im Spinnen-Netz
Beitrag von Julia Boger & Antje Schultheis
„Früher haben wir dazu Selbsthilfegruppe gesagt“, meint eine Freundin lachend, als Julia, ihr von unserem Vorhaben berichtet, an einem sogenannten WOL-Zirkel teilzunehmen. „Working Out Loud“ – dafür steht WOL nämlich – ist jedoch eher ein kollegiales Beratungsformat, bei dem es darum geht, gemeinsam ein bestimmtes Ziel oder Anliegen zu bearbeiten und darüber „laut zu sprechen“ bzw. es öffentlich zu machen. Das besondere ist, dass die anderen Zirkelteilnehmenden das Ziel der anderen die ganzen Wochen über mitdenken. Wie das geht, ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Darum nehmen wir euch jetzt auf die 12-wöchige Reise mit. „Wir“ das sind sechs Frauen, aus unterschiedlichen Städten und beruflichen Branchen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, die eines vereint: wir alle sind Mitglieder des Spinnen-Netz – entweder selbständig, angestellt oder auf Arbeitssuche.
Dort hören wir zum ersten Mal von dieser Methode und treffen uns neugierig Ende September zum ersten Mal online. BrigitteJacobs-Hombeuel, von der www.gute-leute-beratung.de gibt uns als bereits sehr WOL erfahren einen ersten Einblick in die Methode. Es geht dabei um Vernetzung und Zielerreichung, lernen wir. Der Zirkel besteht idealerweise aus 4-6 Personen, die verbindlich über eine Zeit von 12 Wochen für jeweils eine Stunde mit Hilfe des Circle-Guides (online abrufbarer Leitfaden) an ihren persönlichen Zielen arbeiten.
„12 Wochen. Und das verbindlich. Von der Gruppe kenne ich niemanden so richtig. Werde ich das durchhalten?“ mag so manche jetzt denken. Doch ehrlich gesagt, verging die Zeit fast schon zu schnell. Bereits nach den ersten Treffen wurde für mich persönlich aus dem zunächst etwas gefürchteten „Termin“ ein zentraler Höhepunkt der Woche, ganz besonders in der eintönigen und bisweilen einsamen Pandemiezeit.
„Und, was hat’s gebracht?“ fragt Julias Freundin nach 12 Wochen WOL-Zirkel. „Vor allem mehr Bewusstsein“. Bewusstsein über mich selbst, was überhaupt meine Ziele sein könnten und wie ich den Weg dahin gestalten möchte. Überraschend war für einige Teilnehmende, dass es gar nicht so leicht ist, ein solches Ziel klar zu formulieren. Die Ziele innerhalb unserer Gruppe waren von Person zu Person sehr unterschiedlich. Sie reichten von ganz pragmatischen Vorhaben wie, „eine erfolgreiche Bewerbung schreiben“, „Professionalisierungsschritte des eigenen Unternehmens planen“ über „wie frau als Soloselbständige besser vernetzt und eingebunden sein kann“ oder „was bedeutet gute Führung für mich und in der Arbeit“ bis hin zu abstrakten Anliegen, wie mehr Gelassenheit in persönlicher wie auch beruflicher Hinsicht zu erreichen.
Und beim Angehen und Umsetzen der Ziele ist bei den Teilnehmenden eine Menge passiert: manchmal kam man gar nicht mit, was allein zwischen den einzelnen Meetings erfolgreich geschehen ist. Und das Geschehen (lassen) ist ebenfalls Teil des WOL-Zirkels: das füreinander Mitdenken der individuellen Ziele der anderen, Kontakte knüpfen zwischen den Treffen und wertvolle Hinweise und Empfehlungen weiterleiten. Neben konkreten Aufträgen, oder Kontakthinweisen findet ein enormes Empowerment statt. WOL motiviert dazu und gibt konkrete Ansatzpunkte, wie man für Vernetzungen spielerisch, fast wie nebenbei den ersten Schritt machen kann und mit Unbekannten Kontakt aufnimmt. Welche große Wirkung kleine Gesten, wie ein einfaches „Dankeschön“ haben können, wird in der Gruppe besprochen. Dadurch entsteht Vertrauen in die eigene Kompetenz und das Umfeld, dass Dinge sich in eine gute Richtung entwickeln werden.
Aber auch die Methoden des WOL-Circle Guides fand ich absolut spannend und hilfreich. Schon jetzt habe ich einige Übungen, die superschlicht daherkommen und umso wirksamer sind, in meinen Methodenkoffer als Seminarleiterin eingepackt. Und meine Vorliebe für Listen wurde beim WOL-Zirkeln noch verstärkt. Erstaunlich, wie kreativ und wirksam einfache Listen wirken können…
Und natürlich wurde mir bewusst, wie wichtig gute Beziehungen für den eigenen Weg sind. Die Teilnehmenden „meines“ ersten WOL-Zirkels sind mir bei der gemeinsamen spannenden Reise mega ans Herz gewachsen.
Eine etwas kritische Anmerkung noch zum Schluss: Das, was uns allen beim WOL-Zirkeln manchmal etwas befremdlich erschien, waren die Anekdoten, Aufgaben und Übungen, die sehr viel mit Social Media und einschlägigen US-amerikanischen Plattformen zu tun hatten. Dies kann man aber für sich entsprechend anpassen.
Danke an Brigitte Jacobs-Hombeuel, die das Konzept ins Spinnen-Netz gebracht hat und natürlich John Stepper, der WOL überhaupt erst erfunden und angeboten hat. Und Danke an das berufliche Netzwerk Spinnen-Netz, das immer wieder solche neuen Formate möglich macht und so Menschen in unterschiedlichen beruflichen und Lebensphasen abholt.